Rassedisposition – Fluch und Segen (Teil 1 Fluch)


Gleich zu Anfang liebe Raketenhundefreunde:

 

Sollte man vorurteilsfrei an einen Hund mit einer bestimmten Rassezugehörigkeit rangehen? – JA

Sollte man gewisse Rassedispositionen ignorieren? – NEIN

 

Schubladen sind einfach und Schubladen sind wichtig. Aber was ist, wenn wir einmal die Schublade öffnen und alles umsortieren. Einfach weil wir es können.

Und so geschah es vor 11 Jahren im schönen Örtchen Leipzig. Mit acht Wochen wurde der noch kleine Riesenschnauzer Obelix in ein Leben geschmissen, welches diese Rasse sonst wohl eher seltener sieht. Kein Hundeplatz, kein Beißarm, keine Rettungsweste, kein Polizeidienst, keine Drogensuche oder Blindenhilfe. Einfach nur eine schnöde WG in ihrer Sturm und Drang Phase. Freunde, Freizeit und fulminante Abwechslung. Viele Menschen, verschiedene Wohnungen, Hunde aller Couleur und Urlaube an der See. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung davon gehabt, wie ich es hätte anders machen sollen. Sport mit dem Hund stand für mich nicht zur Debatte, dabei hätte ich mich nur selbst verletzt. Auch Befehle ausführen wie ein Maskottchen oder staccato artig neben mir laufen, waren einfach nicht drin. Es war eher so ein chaotisches nebeneinander leben, gegenseitig akzeptieren und wieder in Frage stellen. Ein Leben in einer WG, ein Leben als Begleiter beim Erwachsenwerden, ein Leben als Freund.

Und nun habe ich ihn, den Anti-Stereotyp Riesenschnauzer.

Dabei muss ich immer an eine Situation in einer Raufergruppe denken, die Obelix und ich mal als Komparsen besuchten. Viele der Hundebesitzer und Trainer vor Ort hatten direkt eine Vorstellung davon, wie Obelix sich auf dem Platz benehmen würde und wie man sich gegenüber einem Riesenschnauzer verhalten sollte. Nicht einfach einschränken, kann blöd mit Fremden sein, territoriales Verhalten ist möglich, könnte Menschen verbellen, anknurren oder im schlimmsten Falle auf diese aggressiv reagieren, wenn sie etwas von ihm wollen. Vielleicht hat er auch ein Problem mit anderen Rüden oder ist mindestens misstrauisch. Man muss dazu sagen, in einer Raufergruppe hat man solche "negativen" Gedanken, da die Hunde meistens Auffälligkeiten haben in Bezug auf sozialer Interaktion mit Mensch und Hund.

Tja was soll ich sagen, dann kam Herr O. - athletisch und wunderschön, sorry ich schweife ab - er kam entspannt und gelassen, die Lage abcheckend hereinmarschiert. Gab ein bisschen mit seinem Körper an und lies sich dann von Hinz und Kunz streicheln. Wedelte da, posierte hier und flirtete dort. Alles in allem eher wie so ein entspannter Goldierüde.

Aber was habe ich anders gemacht. Was hat Obelix genetisch mitgebracht und was hat er an Erfahrung hinzugefügt. Einige seiner Wurfgeschwister hatten Probleme mit aggressivem Verhalten und haben sich zu richtigen Riesenschnauzerrüden entwickelt, wie sie im Buche stehen. Treu, liebenswert aber auch misstrauisch und teilweise schwer händelbar. An meinem aktiven Training oder meiner Konsequenz konnte es nicht liegen. Ich war 19. Klar habe ich mich mit dem Verhalten meines Hundes auseinandergesetzt und wir hatten auch sehr schwierige Phasen, in denen ich nicht mehr weiter wusste und mich mit dem Thema Training intensiver beschäftigte. Aber alles in allem waren das Probleme eines jeden Hundehalters mit einem pubertierenden Jungrüden.

Vielleicht war es das Einbinden von Freunden in Bezug auf die Betreuung von Herrn O. oder meine eigene Art und Weise auf Menschen zuzugehen oder Neues zu begutachten, vielleicht war es das WG-Leben und die stetige Veränderung. Vielleicht war es aber auch das Nichtteilnehmen am Klischee-Schutzdienst auf dem Platz oder das Unwissen meinerseits über diese Rasse und deren "potenziellen" Problemen.

Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass es wichtig ist, aus der Schublade zu schauen und es vielleicht auch einmal anders zu machen, als die Anderen. Am Ende des Tages ist es genau das. Wenn wir den Hund als Hund sehen und nicht als Rasse bekommt jeder die gleiche Chance. Achtung pathetisch:

 

Jeder kann alles werden und jeder kann alles erreichen. Also wo sind sie, die Chihuahuas die Drogen suchen? Die American Bulldogs, die in Pflegeheimen eine Omi trösten oder die Malinois, die Trüffel finden können?

So und nun eine kurze Beschreibung der Rasse aus dem Internet und mein Statement dazu:

 

Findet Fremde blöd                                 -                     Überhaupt kein Problem für O. - alles Streichelmarionetten auf zwei Beinen

 

In sich ruhend                                            -                     Hahaha nein, also wirklich nicht. Nee im ernst. Nicht mal mit 10 Jahren

 

Unbestechliche Treue                             -                     Da hat jemand Wurst – mach‘s gut Nina

 

Anhänglicher Hund                                  -                     Wenn man Kontrolle anhänglich nennt, dann kann ich das bestätigen.

 

Misstrauisch                                                -                     Für Herrn O. ist alles Neue großartig. Ob Mensch ob Hund ob Müllauto. Alles Geil

 

Zurückhaltend                                           -                     Ich muss mit Obelix unbedingt über seine Rassedisposition reden.

 

Aggressionspotenzial vorhanden      -                     Ich glaube das Wort kann er nicht mal buchstabieren.

 

Sie haaren wenig                                      -                     Was habe ich falsch gemacht in der Erziehung?

Was also, wenn wir unsere Vorstellungen einer Rasse nach hinten schieben? Wenn wir unsere Erwartungshaltung runterfahren und jeden Hund erst einmal als das betrachten was er ist. Und ihn auch genauso behandeln. Manchmal ist es schwierig und manchmal auch sehr wichtig, zu wissen, was man da genau vor sich hat im Hundetraining. Aber am Ende des Tages geht es darum, den Hund fair zu behandeln und individuell auf den Charakter einzugehen. Egal ob es ein Hütehund, Staffmix oder Mops ist. Zähne haben sie alle und Ohren auch.

Ich bin froh über das Produkt meiner 20er. Ein mittlerweile durchgeknallter, robuster, gutmütiger HundeOpi, der mit seiner Strategie der Dickköpfigkeit und Eigensinnigkeit weit gekommen ist und mir viele Kompromisse abverlangen konnte. Und die darf er auch behalten.

 

 

„Ey Obelix komm wieder her, was machst du, boah muss das sein ey, was hast du da in der Schnauze, gib das her, ach egal ich möchte es gar nicht, Iss es einfach, ist ok, ich habe es nicht gesehen, dann zählt es auch nicht.“ (Zitat aus dem Leben des Herrn O.)

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Hotti (Samstag, 02 Februar 2019 00:15)

    Oh man... Ich musste gerade so lachen. Das ist echt schön geschrieben und beschreibt Herrn O. auf den Punkt. Egal was du gemacht hast oder nicht gemacht hast, so wie ich ihn jetzt kenne, ist er einfach nur lustig. Ich mag ihn einfach sehr.